Energiegenossenschaft Latsch
Im Dezember 2006 gründeten 27 Vinschger/innen die Energiegenossenschaft in Latsch (EGL). Einer dieser Gründungsmitglieder ist Hansjörg Stelzl. Seit 2013 ist er Obmann der Genossenschaft.
Warum wurde die Energiegenossenschaft Latsch (EGL) gegründet und warum wurde die Rechtsform der Genossenschaft gewählt?
Hansjörg Stelzl: Latsch hatte im Winter durchwegs die schlechtesten Luftwerte von Südtirol, hauptsächlich wegen der zahlreichen Hausfeuerungen. Das war sicher der Hauptgrund für die Investition in die Fernwärme. Die Genossenschaft als Rechtsform wurde gewählt, da sie dem Mitglied ein Mitspracherecht gibt. Zu anderen Rechtsformen oder Körperschaften hatte man zu wenig Vertrauen, vor allem im Hinblick auf die Preisgestaltung.
Welche Vorteile bietet die lokale Produktion von Wärme heute für die Dorfgemeinschaft in Latsch?
Latsch hat seit der Einführung der Fernwärme wesentlich bessere Luftverhältnisse. Ein weiterer Vorteil für die Produktion von Wärme ist die stabile Preislage. Unser Preis pro KWh ist seit 2016 unverändert, da wir als Genossenschaft nicht profitorientiert sind. Gas und Öl können derzeit bei weitem nicht mit unserem Preis mithalten. Außerdem ist der Konsum von Fernwärme für die Haushalte mehr oder weniger wartungsfrei und bietet den Konsument/innen einige angenehme Aspekte. Das Mitglied bekommt unter anderem die Infrastruktur für die Glasfaser mitgeliefert und damit auch das schnelle Internet.
Woher stammt die im Heizwerk verfeuerte Biomasse und gibt es noch andere Energiequellen?
Ein Drittel der gesamten Jahreswärme speist der Sockelleistenhersteller Pedross AG in unser Netz ein. Dieser betreibt mit seinen Holzabfällen ein eigenes Stromkraftwerk. Durch diese Synergie können wir neben dem Preisvorteil vor allem in den Sommermonaten unsere Produktion einstellen und Öfen und Maschinen in Ruhe warten. Zwei Drittel der Jahreswärme produzieren wir durch Biomasse, die angekauft wird. Durchschnittlich kann man sagen, dass ungefähr 10 Prozent der Hackschnitzel aus Österreich kommen, 50 Prozent von Sägewerken aus dem Nonstal, 30 Prozent aus verschiedenen Teilen Südtirols und 10 Prozent sind Brennholz, welches die Eigenverwaltungen der Gemeinde Latsch liefern.
Ist die dezentrale Nahversorgung mit „grüner“ Energie auch in Südtirol ein Modell für eine nachhaltige Klimapolitik?
Durch die Verwendung des klimaneutralen Brennstoffes Holz tragen die Fernheizkraftwerke ihren Teil an nachhaltiger Klimapolitik bei. Brennholz ist klimaneutral und muss nicht aufwändig von weither transportiert werden.
Welche Zukunftsaussichten hat die EGL?
In Zukunft gilt es vor allem in der ganzen Energieversorgung unabhängiger vom globalen Markt zu werden und die regionalen Möglichkeiten zu nutzen. Mit unseren Fernheizwerken haben wir das in Bezug auf die Wärmeversorgung aufgezeigt. Die Preise sind auch in turbulenten Zeiten stabil geblieben. Wir sind derzeit in unserer Kapazität am Limit und müssen unsere Produktion steigern. Auch für technische Innovationen sind wir offen, nicht nur innerhalb der EGL, sondern auch in Synergie mit Objekten außerhalb, sofern sich keine zwingende, langfristige Abhängigkeit ergibt.
Info
Hansjörg Stelzl wurde im Jahr 1955 in Bozen geboren. Nach der Matura im Franziskanergymnasium in Bozen studierte er Bauingenieurwesen an der Universität Innsbruck. Seit 1985 ist er als freiberuflicher Ingenieur in Latsch tätig. Mit zwei weiteren Ingenieuren gründete er im Jahr 2000 das Ingenieurbüro Stelzl-Oberdörfer- Bauer. Seit 2013 ist er Obmann der EGL, nachdem er bereits viele Jahre als Vizeobmann tätig war.