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Wirtschaft = Zukunft
Dekarbonisierung

Dekarbonisierung

Eine lange, aber notwendige Reise

„Wir haben uns auf eine Reise begeben, die nie enden wird.“ Was Product Manager Alessandro Iviglia für Röchling Automotive beschreibt, gilt für alle Unternehmen, die sich dem Abbau ihrer CO2-Emissionen verschreiben. Die Reise hin zur Dekarbonisierung ist zwar eine lange, aber auch eine ökologisch notwendige – und eine, die auch betriebswirtschaftlich viel bringen kann. 

Will man CO2-Emissionen reduzieren, muss man wissen, wo der Hebel anzusetzen ist. Wie hat man das in Ihrem Unternehmen herausgefunden?
Alessandro Iviglia: Ausgehend vom Energieaufwand in der Herstellung jedes einzelnen Produkts, wollten wir uns ein präzises Bild unserer CO2-Emissionen verschaffen, in das alles einfließt: vom Transport unserer Rohstoffe und Produkte über die Anfahrtswege unserer Mitarbeiter bis hin zu Smart Working und Digitalisierung. Uns war ein ganzheitliches Bild enorm wichtig. Schließlich müssen Unternehmen nicht nur nach einem kleineren CO2-Fußabdruck streben, er zahlt sich auf lange Sicht auch aus.

Röchling Automotive hat eine eigene Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt. Was hat sich auf Basis dieser Strategie verändert?
Das Wichtigste ist, dass wir uns alle gemeinsam bewusster werden, was mehr und was weniger Auswirkungen hat. Als Röchling Automotive können wir schließlich auf verschiedene Weise Einfluss nehmen: durch die Gestaltung von Produkten und Prozessen, die Auswahl der Materialien, unsere Organisation. Und in unserem Bereich, den technischen Kunststoffteilen für die Autoindustrie, fällt der größte Einfluss schon in der Lieferkette an. Daher ist die Einbeziehung aller Lieferanten und deren richtige Auswahl so wichtig. 

Können Sie Beispiele für konkrete Maßnahmen zur Dekarbonisierung nennen?
In den italienischen und deutschen Werken messen wir detailliert den Verbrauch von alten und neuen Maschinen. Zudem stellen wir Komponenten in Serie her, die zu 100 Prozent aus recyceltem Material bestehen. Für jedes Produkt haben wir eine Ökobilanz erstellt und berechnen diese auch für alle neuen Produkte. 

Welche Herausforderungen gab’s bei der Umsetzung? Was war besonders schwierig und was vielleicht auch überraschend einfach?
Es ist einfach zu erklären, dass Nachhaltigkeit wichtig ist, aber es ist schwierig, alle einzubeziehen, so dass sie sich auch verantwortlich fühlen. Nachhaltigkeit muss als Einstellung gelebt und nicht aufgezwungen werden. Dieser Aspekt ist grundlegend, um wirklich etwas verändern zu können. Das fängt schon damit an, dass alle Maschinen und Anlagen am Ende der Schicht, bei Produktionswechsel und an Wochenenden ausgeschaltet oder in Stand-by versetzt werden. Damit kann bis zu 60 Prozent Energie eingespart werden. Seit 2020 haben wir auch Maßnahmen zur Materialrückgewinnung eingeführt, etwa von Öl, und damit nicht nur CO2-Emissionen, sondern auch über 100.000 Euro jährlich eingespart.

Wirken sich die Maßnahmen auch auf die Effizienz und Produktivität Ihres Unternehmens aus? 
Auf Produktionsebene bringen neue Maschinen eine bessere Leistung, neue Verfahren verbessern das Gesamtergebnis. Materialien mit geringerer Umweltbelastung lassen sich in der Regel leichter verarbeiten. Wenn es zudem kein nice-to-have, kein Overengineering gibt, sondern nur das, was für die Funktion wirklich notwendig ist, wird ein Produkt mit den geringstmöglichen Nachhaltigkeitsauswirkungen hergestellt. Ein solches stellt im Allgemeinen auch eine kommerziell günstigere Lösung dar. 

Und wie geht’s in Sachen Dekarbonisierung weiter?
Wir haben uns auf eine Reise begeben, die nie enden wird. Es muss kontinuierliche Verbesserungen geben, um wettbewerbsfähig zu bleiben: eine Verbesserung bei der Überwachung aller Daten, eine Verbesserung unseres Bewusstseins und Wissens, die Schulung der gesamten Belegschaft, damit Nachhaltigkeitsthemen als selbstverständlicher Teil der Arbeit gelebt werden, und zwar in jeder Position. Das erfordert einen besonderen Aufwand an Zeit und Kosten, aber auch eine ordentliche Portion Willenskraft, denn alles Neue stößt am Anfang auf Ratlosigkeit. All das zeigt: Wir haben schon viele Maßnahmen ergriffen, aber noch einen langen Weg vor uns. 

Kurzbiografie

Alessandro Iviglia

Alessandro Iviglia, geboren 1982, ist Global Product Manager von Röchling Automotive in Leifers. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Mannheim und Niederlassungen auf der ganzen Welt, produziert Kunststoffkomponenten für die Automobilindustrie. Iviglia hat Industriedesign am Polytechnikum Turin studiert und ist bei Röchling Automotive u.a. für die Entwicklung nachhaltiger Materialien für die Automobilwelt verantwortlich.

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