Dekarbonisierung
1,5 Grad – Netto Null – Fit for 55. Diese Begriffe hört man immer häufiger in den letzten Jahren, sei es von der Politik, wie auch in den Meetings der Unternehmen. Der Klimawandel ist schon längst keine dystopische Zukunftsvision mehr, sondern wir sind bereits mittendrin. Es ist Fünf vor Zwölf, wie man so schön sagt. Um die Klimaziele, die sich Europa gesetzt hat, zu erreichen, und damit die Möglichkeit auf eine (sorgenfreiere) Zukunft zu garantieren, müssen wir alle an einem Strang ziehen. Damit auch Unternehmen, einen wichtigen Beitrag leisten können, setzten immer mehr Unternehmen auf die „Dekarbonisierung“.
Historischer Hintergrund
Die Problematik der Treibhausgase (THG), die ein wesentlicher Faktor für die globale Erderwärmung darstellt, ist schon lange bekannt. Doch erst seit dem Erdgipfel (oder auch Rio-Konferenz) in Rio de Janeiro im Jahr 1992 gab es einen ersten großen Wendepunkt. Diese Versammlung, die auch als erste WeltUMWELTkonferenz galt, schufen die Staatsoberhäupter die Voraussetzungen für das Kyoto-Protokoll von 1997.
Schon seit 1992 herrscht das Klimagesetz, das die Unterzeichnerstaaten verpflichtet, die Treibhausgase zu reduzieren. Diese sind nach wissenschaftlichem Konsens die Ursache, für die immer rascher werdende globale Erderwärmung. Trotz allem wurden handfeste Beweise für den Zusammenhang des Klimawandels mit dem menschlichen Verhalten erst nach dem Kyoto-Treffen offenkundig.
Es folgte das Pariser Abkommen von 2015, bei dem 195 Länder sich entschlossen den ehrgeizigen Kampf gegen den Klimawandel anzugehen. Dabei wäre das wichtigste Ziel den jährlichen Anstieg der Durchschnittstemperatur auf unter 2°C im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen.
Dieses Ziel, sowie das immer stärker werdende Bewusstsein, dass eine höhere Konzentration von CO2 in der Atmosphäre unbestreitbar zu einem Anstieg des Treibhauseffekts führt, war schließlich maßgebend in der Entwicklung der Maßnahmen zur Reduzierung und Begrenzung der Emissionen.
Bild 1: Zeitleiste der wichtigsten Initiativen und Konferenzen bezüglich des Climate Change
Was ist Dekarbonisierung?
Unter Dekarbonisierung versteht man die Reduzierung von (Kohlenstoffdioxid)-Emissionen, mit dem Ziel die globale Erderwärmung zu begrenzen. Dies kann durch eine Umstellung der herkömmlichen Wirtschaftsweise erreicht werden, wobei Handlungen und Prozesse, die normalerweise Kohlenstoffdioxid (CO2) freisetzen, durch solche ersetzt werden, bei denen diese Freisetzung (Emission) nicht gegeben ist.
Es gibt drei große Kategorien der Dekarbonisierung:
- Vermeidung
z.B. Prozesseffizient und/oder Änderung der verwendeten Energiequelle oder des verwendeten Rohstoffs; - Kompensierung
z.B. Initiativen zur Unterstützung von Projekten, die die gleiche Menge an Emissionen entfernen; - Kohlenstoffabscheidung und Nutzung/Speicherung
z.B. Wiederaufforstungsprojekte oder Projekte zur Kohlenstoffabscheidung aus der Atmosphäre
Bild 2: Die drei wichtigsten Kategorien der Dekarbonisierung
Im Idealfall sollten jene Initiativen gewählt werden, die weder die Gesamteffizienz, die Qualität, die Wettbewerbsfähigkeit oder das Wachstum des Unternehmens beeinträchtigen. Die Dekarbonisierung eines Unternehmens ist aber alles andere als einfach, da es vielfach schwierig ist, die Umweltauswirkungen einzelner Prozesse oder Produkte zu bewerten. Um zu verstehen, welche Handlungen und Prozesse die größten Auswirkungen haben und es demnach sinnvoll ist, sich diese genauer anzusehen, ist die Messung des CO2-Fußabdrucks unabdingbar.
Was ist der CO2-Fußabdruck?
Die renommierteste Organisation für Normung, die ISO (International Organization for Standards) hat einen Standard verfasst, um Unternehmen zu helfen, den politischen und marktwirtschaftlichen Veränderungen dieser Zeit gerecht zu werden. Die sogenannte technische Norm der Ökobilanz (Life Cycle Assessment, LCA, CO2-Footprint, ökologischer Fußabdruck). Dieser Leitfaden enthält die Methodik, die Umweltauswirkungen zu bewerten.
Bei der Messung des CO2-Fußabdrucks werden alle Emissionen abgebildet, für die ein Unternehmen, ein Produkt oder ein Mensch verantwortlich ist – direkt und indirekt – und ist damit ein Indikator für die Umweltauswirkungen. Für ein Unternehmen zum Beispiel setzt er sich aus den Emissionen der Gebäude, Produktionsanlagen und Dienstfahrzeuge, sowie der Verbrauch an Strom und Wärme zusammen. Bei dem sogenannten Product Carbon Footprint (der CO2-Fußabdruck eines Produkts) werden die Emissionen, die während des gesamten Lebenszyklus (from cradle to grave – von der Wiege bis zum Grab) entstehen, quantifiziert. Dabei beginnt man bei der Rohstoffgewinnung über die Herstellung und den Transport, bis hin zur Nutzung und Entsorgung. Damit können Produkte, die das Unternehmen produziert, untereinander verglichen werden.
Bild 3: CO2-Fußabdruck eines Produktes von Cradle-to-gate
Der Produkt CO2-Fußabdruck wird häufig verwendet, um einem Unternehmen eine fundierte Entscheidungshilfe zu gewährleisten, die Prozesse, oder das Design des Produkts ökologischer zu gestalten. Diese Reduktion der Emissionen kommt nicht nur der Umwelt zugute, sondern kann auch Kosten senken und die Effizienz der Produktion steigern.
Autoren
Michaela Golser, Prof. Erwin Rauch, Freie Universität Bozen, Sustainable Manufacturing Lab, Lehrstuhl für Nachhaltige Fertigung, Fakultät Ingenieurwissenschaften und Davide Don, Fraunhofer Italia