Handelskammer Bozen
Durch die gestiegenen Energiepreise sehen sich Südtirols Unternehmen mit Mehrkosten konfrontiert.

Ein Jahr voller Herausforderungen

WIFO senkt Wachstumsprognose
Datum:  Mai 2022

Angesichts der erheblichen Spannungen auf den Energie- und Rohstoffmärkten, die aufgrund des Krieges zwischen Russland und der Ukraine deutlich verschärft wurden, senkt das WIFO - Institut für Wirtschaftsforschung der Handelskammer Bozen die Wachstumsprognose des Südtiroler Bruttoinlandsproduktes (BIP) für 2022. Falls die kurzfristige wirtschaftspolitische Entwicklung positiv verläuft, sollte die Südtiroler Wirtschaft heuer zwischen drei und vier Prozent wachsen.

2021 war ein Aufschwungsjahr für die Weltwirtschaft. Einerseits ermöglichte die erfolgreiche Entwicklung der Impfkampagnen in den Industrieländern die schrittweise Abschaffung der Einschränkungen der wirtschaftlichen Tätigkeiten; andererseits konnten die massiven fiskalpolitischen Maßnahmen in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften die Auswirkungen der Krise auf die Beschäftigung begrenzen und gleichzeitig die Binnennachfrage ankurbeln. Laut Schätzungen ist das BIP der Weltwirtschaft um 5,9 Prozent gestiegen. Das Wachstum in der Eurozone fiel mit 5,3 Prozent etwas geringer aus, auch aufgrund des deutlichen Anstiegs der Covid-Infektionen in den letzten Monaten des Jahres. Die italienische Wirtschaft, die 2020 einen besonders starken Absturz um knapp neun Prozent erlitten hatte, erlebte 2021 einen Aufschwung über dem Durchschnitt der Eurozone mit einer Zunahme des BIP um 6,6 Prozent.

Preiserhöhungen bei Rohstoffen

Die Erholung der Wirtschaft ging jedoch mit einem raschen Anstieg der weltweiten Nachfrage nach Rohstoffen, Halbfertigprodukten und Komponenten einher, was zu Preiserhöhungen führte. In einigen Fällen kam es aufgrund des abrupten Nachfrageanstiegs zu Versorgungsengpässen in den Lieferketten, zum Beispiel bei bestimmten Metallhalbzeugen und bei Mikroprozessoren. In anderen Fällen kam es zu Engpässen auf der Angebotsseite als Folge der Pandemie oder aufgrund unvorhergesehener Ereignisse, wie zum Beispiel dem Unfall im Suezkanal. In den ersten Monaten 2022 wurde der Druck auf die Energiepreise durch den Ausbruch des russisch-ukrainischen Krieges im Februar und die von der NATO und der EU verhängten wirtschaftlichen Sanktionen gegen Moskau noch verstärkt.

In der Baubranche ergeben sich zurzeit Situationen, in denen die Nachfrage aufgrund fehlender Rohstoffe nicht bedient werden kann.

Die Südtiroler Wirtschaft – Entwicklung 2021

Auch in Südtirol wurde die Konjunktur durch diese Entwicklungen beeinflusst. Die Frühjahrsausgabe des Wirtschaftsbarometers vom WIFO bestätigt die teilweise Erholung des Geschäftsklimas im Jahr 2021. Die Ertragslage im vergangenen Jahr wird von 83 Prozent der befragten Unternehmer und Unternehmerinnen zumindest als befriedigend bezeichnet und etwa ein Drittel von ihnen bewertet sie sogar als gut. Die Steigerung des Geschäftsklimas ging Hand in Hand mit der allmählichen Verbesserung der Pandemielage und der Rückkehr zur Normalität, die durch die Impfkampagne ermöglicht wurden. Die wachsende Nachfrage spiegelte sich in der positiven Umsatzdynamik auf allen Märkten wider, sodass über die Hälfte der Unternehmen 2021 ein steigendes Geschäftsvolumen verzeichneten. In der Folge nahmen auch die Investitionen wieder zu, wenn auch nur verhalten. Seit der zweiten Jahreshälfte haben sich aber Engpässe in den Versorgungsketten verschiedener Rohstoffe, Materialien und Halbfertigprodukte ergeben, die vor allem das Verarbeitende Gewerbe und den Bausektor betrafen. Dies führte zu Lieferverzögerungen, höheren Produktionskosten und folglich zu steigenden Verkaufspreisen. Die Lage wurde durch die starke Zunahme der Kosten für Energie weiter verschärft. Erhebliche Kostensteigerungen bei Materialien und Energie betrafen somit fast 60 Prozent der Südtiroler Unternehmen. Trotzdem zeigte sich im Jahr 2021 eine deutliche Erholung des Südtiroler BIP, dessen Wachstum vom WIFO auf 5,5 Prozent geschätzt wird.

Ertragslage 2021 nach Sektoren

2022 mit neuen Herausforderungen

Die ersten Monate des Jahres 2022 wurden durch weitere Schwierigkeiten gekennzeichnet, insbesondere die erneute Zunahme von Covid-Infektionen infolge der Verbreitung der Omikron-Variante. Obwohl die Auswirkungen auf die Wirtschaft weitaus geringer waren als bei den vorherigen Pandemiewellen, gab es dennoch negative Folgen für den Tourismus und auf das Tagesgeschäft der vor allem kleineren Unternehmen, da viele Arbeitnehmer/innen von Quarantänemaßnahmen betroffen waren. Dementsprechend zeigt die vom WIFO im Februar durchgeführte Konjunkturerhebung, dass die Situation nach wie vor von großer Unsicherheit geprägt ist, sodass 15 Prozent der befragten Unternehmer/innen keine Prognose über die Ertragslage für das Jahr 2022 abgeben konnten. Es ist zu berücksichtigen, dass die Erhebung vor dem Beginn der Kampfhandlungen in der Ukraine abgeschlossen wurde. Die daraus resultierenden Teuerungen von Energie, Gas und Treibstoffe wirken sich stark negativ auf die Wirtschaftsentwicklung aus. Angesichts der erheblichen Spannungen auf den Energie- und Rohstoffmärkten revidierte das WIFO im März seine Wachstumsprognose nach unten. Demnach soll die Südtiroler Wirtschaft heuer zwischen drei und vier Prozent wachsen.

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