Elektrizitätsgenossenschaft Pflersch
Anfang der 1920er Jahre beschließen Hofbesitzer im Weiler Boden ein E-Werk zu bauen. Heute verfügt die Elektrizitätsgenossenschaft Pflersch über mehrere Produktionsanlagen und ein modernes Netzleitsystem mit Ringleitung. Geschäftsführer Franz Schwitzer spricht über die Herausforderungen und Chancen lokaler Stromproduktion.
Herr Schwitzer, welche Vorteile bieten eine lokale Stromproduktion und Stromverteilung heute für die Dorfgemeinschaft und für die Verbraucher/ innen in Pflersch?
Franz Schwitzer: Die lokale Stromproduktion hat im Prinzip drei große Vorteile. Erstens bietet sie eine hohe Versorgungssicherheit. Wir können einen Großteil des Jahres den Stromverbrauch der Mitglieder decken und bei Bedarf das Netz im Inselbetrieb fahren. Ein zweites Plus besteht darin, unbürokratisch, schnell und zu einem äußerst günstigen Preis sämtliche Dienstleistungen in Zusammenhang mit der Strom- und Glasfaserversorgung zu erhalten. Und drittens bleibt die Wertschöpfung dem Tal erhalten, da die Gewinne in den Ausbau der Infrastruktur, der Dienstleistungen und in die Förderung der Vereine im Tal reinvestiert werden.
In Zukunft wird es in Italien nur noch einen „freien“ Strommarkt geben - kann die Elektrizitätsgenossenschaft Pflersch in diesem Wettbewerb bestehen?
Ja, durchaus. Die solide Arbeit des Verwaltungsrates sowie die strategisch sinnvollen Investitionen in Infrastruktur, Verteilernetz und Produktionsanlagen, in den Ausbau des Glasfasernetzes, aber auch die hervorragende Zusammenarbeit mit Dienstleistern wie dem Südtiroler Energieverband verschaffen der Genossenschaft eine sehr gute Ausgangsposition.
Sie betreiben heute vier Wasserkraftwerke. Ist der dort erzeugte Strom für die Versorgung des Tals ausreichend?
Wir produzieren im gesamten Jahresverlauf wesentlich mehr Energie als gebraucht wird. Jedoch sind die Wintermonate bekanntlich für Wasserkraftwerke keine gute Ertragszeit. In diesen Monaten müssen wir teilweise Strom zukaufen. Eine Ausweitung der Produktion wäre sicherlich sinnvoll. Leider wurde in diesem Zusammenhang ein geplanter Windpark vor einigen Jahren abgelehnt. Derzeit bauen wir ein Wasserkraftwerk und interessieren uns ständig für neue Möglichkeiten zum Ausbau der Produktionsanlagen. Leider haben die Genehmigungsverfahren für Produktionsanlagen jeglicher Art ein untragbares Ausmaß angenommen.
Der Klimawandel ist ein zentrales Thema unserer Zeit. Ist die dezentrale Nahversorgung mit „grüner“ Energie ein Modell für eine nachhaltige Klimapolitik?
Dies kann mit Sicherheit ein Baustein sein, um die Nachhaltigkeit der Energieproduktion und der Verteilung zu erhöhen und kann mancherorts sehr sinnvoll sein. Ob es ein großflächiges Modell sein könnte, bin ich mir nicht sicher, da es dafür noch einiges mehr braucht, wie eben eine starke Vereinfachung der Genehmigungen von Produktionsanlagen erneuerbarer Energien.
Sprechen wir über technische Innovationen und die Entwicklung neuer Angebote. Welche Perspektiven für die Zukunft gibt es für Ihren Betrieb?
Da wir Stromverteiler sind, unterliegen wir den Vorgaben der staatlichen Regulierungsbehörde. In diesem Rahmen haben wir schon einiges realisiert, wie ein modernes Netzleitsystem mit Ringleitung, um die Versorgungssicherheit zu erhöhen. Auch der Glasfaserausbau bis hin zu Almen auf 2.000 Meter über dem Meeresspiegel ist hier sicherlich hervorzuheben. Übergeordnetes Ziel ist es, die Genossenschaft als Infrastruktur-, Dienstleistungs- und Sozialeckpunkt im Tal weiter zu etablieren und ihren Fortbestand über Jahrzehnte hinaus zu sichern.
Info
Dipl. Ing. (FH) Franz Schwitzer arbeitet seit 2015 als Geschäftsführer bei der Elektrizitätsgenossenschaft Pflersch. Er hat ein Studium in Maschinenbau – Mechatronik abgeschlossen und war vor seiner Tätigkeit in Pflersch Projektleiter für Wasserkraftanlagen und Baustellenleiter für Seilförderanlagen.