Fraunhofer Italia
Künstliche Intelligenz ist für die Forschung nichts Neues, für die Industrie sehr wohl. Marco Todescato von Fraunhofer Italia schlägt die Brücke zwischen Wissenschaft und industrieller Anwendung.
Herr Todescato, Künstliche Intelligenz (KI) ist in aller Munde, aber keiner weiß genau, worum es geht.
Marco Todescato: Künstliche Intelligenz sind viele Sachen gleichzeitig. Man versucht, verschiedene Disziplinen zusammenzubringen, Steuerungstechnik, Maschinenbau, Robotik, Big Data Analysis, Statistik. Mithilfe von Software-Algorithmen suchen wir Muster in den Daten. Das Ziel ist, aus den Daten das Beste herauszuholen, die meisten Informationen zu gewinnen.
Die vielleicht bekannteste Anwendung der KI ist das Maschinelle Lernen. Ein künstliches System lernt aus Beispielen, kann auf dieser Basis verallgemeinern und selbstständig Entscheidungen treffen.
Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen Forschung und Industrie aus?
KI ist in der Forschung schon lange ein wichtiges Thema, die große Neuerung ist die konkrete Anwendung in der Industrie, die gerade stattfindet. Wir bei Fraunhofer Italia arbeiten im Bereich angewandte Forschung, wir versuchen die theoretischen Entwicklungen auf die Industrie zu übertragen
Wie geht man da vor?
Es gibt kein Patentrezept dafür. Die Stärke von Fraunhofer ist, dass es eine Vielzahl von Experten unterschiedlicher Fachrichtungen hat, so haben wir einen umfassenden Überblick über den Stand der Technik und mögliche Anwendungen. Wir können die Bedürfnisse der Kunden erkennen und maßgeschneiderte Lösungen entwickeln.
Können Sie uns ein Beispiel nennen?
Industrieforschung wird vertraulich betrieben, allerdings kann ich gerne von CORAL erzählen, einem von Fraunhofer Italia entwickelten einfachen Cobot, mit dem wir die Möglichkeiten der Technologie interessierten KMUs zeigen. Das Anwendungsmodul CORAL (Collaborative Robotic Assistant Learner through demonstrations) kombiniert kollaborative Robotik und maschinelles Lernen für die Sortierung von Objekten, die auf einem Förderband transportiert werden.
CORAL besteht aus einem Bildverarbeitungsmodul, das die Objekte fotografiert aber auch schaut, wo sich der menschliche Mitarbeiter aufhält. Das Kontrollmodul steuert die Bewegungen des Roboters und stoppt, wenn der Mensch zu nahekommt. Die KI-Modul beobachtet, was der Mitarbeiter ihm zeigt und lernt daraus, was es mit einem bestimmten Objekt tun muss.
Was sind die Vorteile der KI?
In der klassischen Robotik habe ich große, abgeschirmte Roboter, mit denen ich nur über Software kommunizieren kann, ich brauche dafür hochspezialisierte Techniker. Es ist schwierig, einem Roboter mitzuteilen, was ich von ihm möchte. Beim Cobot ist die Konfiguration viel einfacher. Danach können Roboter dank KI zum Beispiel sehr spezielle, aber sich ständig wiederholende Aufgaben bewältigen, der Mensch ist dann frei für ihm angemessenere und kreativere Aufgaben.
Und die Nachteile?
Bei Big Data arbeiten wir mit Wahrscheinlichkeitsmodellen. Es gibt immer ein Konfidenzintervall, es können also Fehler passieren. Wenn das Modell trotz allem nicht das tut, was der Nutzer von ihm will, muss ich am Ende doch wieder in die Software eingreifen, und die ist noch komplizierter als bei einem klassischen Roboter. Ich muss sehr viele Daten sammeln und auch die finanzielle Investition ist nicht ohne.
Herr Todescato, Sie sind vor kurzem von nach Südtirol gezogen, welche Erfahrungen bringen Sie aus Deutschland mit und möchten Sie nun in der Südtiroler Industrie anwenden?
Der Bereich ist in Südtirol stark in Bewegung, habe ich den Eindruck. Es gibt aber natürlich noch nicht so viel angewandte Forschung wie in Deutschland, wo auch in größeren Firmen geforscht wird. Ich hoffe, dass in Südtirol auch viele kleine Firmen den Schritt zu KI wagen, da wird ein Player wie Fraunhofer Italia an der Schnittstelle von Grundlagenforschung und konkreter Anwendung sehr wichtig sein.
Info
Marco Todescato forschte nach Studium und Doktorat in Padua zwei Jahre an seiner Alma Mater und wechselte 2018 ans Bosch Center for Artificial Intelligence in Stuttgart, wo er unter anderem im Bereich Künstliche Intelligenz arbeitete. Heute ist er Senior Researcher bei Fraunhofer Italia (Bozen) als Teil der Gruppe Robotics and Intelligent Systems Engineering.
Fraunhofer Italia ist 2009 von der Fraunhofer-Gesellschaft und dem Unternehmerverband Südtirol mit Unterstützung des Landes Südtirol gegründet worden. Es ist eine unabhängige Auslandsgesellschaft innerhalb der Fraunhofer-Gesellschaft mit ihren mehr als 75 Instituten und 29.000 Miterbeiter. Als Brücke zwischen Forschung und Industrie kann Fraunhofer Italia auf die lokalen Bedürfnisse eingehen und hat vor allem die kleinteilige Südtiroler Wirtschaft im Blick. Themen sind neben KI-Anwendungen auch weitere Zukunftstechnologien und nachhaltige Digitalisierung, wie das Building Information Modeling (BIM) im Baubereich.