Contrast:High contrast|Normal view
Zitrusfrüchte, Pflaumen und Feigen
Anfang des 17. Jahrhunderts wurden Gemälde erstmals nach den dargestellten Themen klassifiziert, was zur Herausbildung unterschiedlicher Genres führte. Dabei bestimmte der Aufwand des Künstlers die Bedeutung eines Genres. An erster Stelle standen Gemälde mit religiösen Themen. Darauf folgten Darstellungen von historischen Gegebenheiten, etwa von Schlachten, Krönungen oder wichtigen Feierlichkeiten; anschließend die Porträts, die meist Adelige, Aristokraten oder Geistliche zeigten, die Landschaftsmalerei und schließlich das Stillleben, bei dem Blumen, Obst, Fische, Jagdbeute und verschiedene Gegenstände, wie z. B. Musikinstrumente, dargestellt wurden.
Das Stillleben etablierte sich als eigenes Genre in der westlichen Kunst ab dem 17. Jahrhundert, die im Stillleben dargestellten Gegenstände finden sich jedoch schon in antiken Malereien und Skulpturen wieder – sei es als eigenständige Darstellungen als auch in größeren Kontexten eingebettet, etwa in Grabreliefs und -malereien im Alten Ägypten und im Alten Orient, sowie in der byzantinischen und der westlichen mittelalterlichen Kunst. Bibel- und Heiligengeschichten baten hervorragende Gelegenheiten, um Gegenstände und Speisen auf Tischen oder Schreibmittel und Bücher darzustellen.
Je nach dargestellten Gegenständen haben Stillleben eine symbolische oder allegorische Bedeutung: So stehen sie etwa für die Jahreszeiten oder die Sinne. Die Genauigkeit, mit der Blumen und Tiere dargestellt wurden, spiegelte auch das wachsende wissenschaftliche Interesse dieser Zeit wider.
In der Ausstellung „Zitrusfrüchte in Bozen“ findet sich das Gemälde "Stillleben mit Zitrusfrüchten, Pflaumen und Feigen" des flämischen Malers Monsù Nicasio. Das Werk stammt aus der Sammlung des Museo della Natura Morta in der Villa Medicea von Poggio a Caiano (PO). Diese von Giuliano da Sangallo für Lorenzo il Magnifico entworfene Villa besitzt einen weitläufigen Park mit einer großen Limonaia aus dem 19. Jahrhundert, zu deren Füßen sich die monumentalen Stallungen aus dem 16. Jahrhundert befinden.
Die Villa war die Lieblingsresidenz des schon früh verstorbenen Großfürsten Ferdinando. Der große Kunstliebhaber machte daraus ein blühendes Kulturzentrum, in dem häufig Komödien aufgeführt wurden. In der Villa befand sich auch eine einzigartige Sammlung, die er Gabinetto delle opere in piccolo nannte. Sie umfasste 174 Bilder bekannter Maler, wie etwa Albrecht Dürer, Leonardo da Vinci, Raffaello Sanzio und Peter Paul Rubens. Aus den Inventarkarten und dem Bilderverzeichnis, das Giuseppe Maria Sgrilli, der Garderobier des Großfürsten, 1756 in einer Zeichnung festgehalten hat, wissen wir, dass auch das Stillleben von Monsù Nicasio dazu gehörte.
Das wunderschöne Gemälde "Stillleben mit Zitrusfrüchten, Pflaumen und Feigen" ist damit auf zweifache Weise mit unserer Ausstellung verbunden: Erstens stammt es aus einer Villa mit Garten und Limonaia, die im Zeichen der damaligen Mode als Inspiration für die Orangerien in Bozen gedient haben könnte. Zweitens stammt das Gemälde aus einer Medici-Sammlung, und das Merkantilgebäude, in dem sich die Ausstellung befindet, war Sitz des Merkantilmagistrats, der 1635 von der Erzherzogin Claudia de’ Medici eingerichtet wurde.
Literaturverzeichnis: Maria Matilde Simari (Hg.), "Per il Gran Principe Ferdinando. Nature morte, paesi, bambocciate e caramogi dalle collezioni medicee", Ausstellungskatalog, Villa medicea di Poggio a Caiano, 5. Juli– 5. November 2013, Sillabe, Livorno, 2013