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Schiedsverfahren
Die Artikel 806 und folgende der italienischen Zivilprozessordnung sehen ein sogenanntes förmliches Schiedsgerichtsverfahren vor, welches es den streitenden Parteien ermöglicht, den Rechtsstreit ohne den Eingriff der ordentlichen Gerichtsbarkeit, jedoch mit einer dieser gleichkommenden Wirksamkeit entscheiden zu lassen. Das Verfahren weist in der italienischen Rechtsordnung somit Rechtssprechungscharakter auf.
Es unterscheidet sich deutlich vom nicht förmlichen Schiedsgerichtsverfahren, bei welchem die streitenden Parteien nach Aufkommen eines Rechtsstreites dem/der Schiedsrichter/in den Auftrag erteilen, den Streit im Vergleichswege zu schlichten.
Im Falle des förmlichen Schiedsgerichtsverfahrens handelt es sich um eine Art "Privatgerichtsbarkeit", die eine echte Alternative zur ordentlichen Gerichtsbarkeit darstellt und deren Zuständigkeit ausschließt.
Eine Schiedsgerichtsklausel stellt demzufolge einen Grund für die Unzuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit dar.
Grundsätzlich kann jeder Rechtsstreit einem Schiedsgericht unterbreitet werden. Eine Ausnahme bilden Streitfälle, welche Standes- und Familienangelegenheiten (zum Beispiel Ehetrennung, Ehescheidung und so weiter), Rechte, über die nicht verfügt werden kann (zum Beispiel Vormundschaftsrechte) und bestimmte Aspekte arbeitsrechtlicher und diesen gleichgesetzter Auseinandersetzungen betreffen.
Der Auftrag ans Schiedsgericht kann in Form einer Schiedsklausel in einem zwischen den späteren Streitparteien abgeschlossenen Vertrag enthalten sein, oder einem selbständigen Rechtsgeschäft, dem sogenannten Schiedsvertrag, entspringen.
Schiedsvertrag und Schiedsklausel müssen bei sonstiger Nichtigkeit Schriftform aufweisen, sowie die Bestimmung der Schiedsrichter oder die Angabe der Art und Weise ihrer Bestimmung beinhalten. Das Schiedsgericht kann aus einem/r Einzelschiedsrichter/in oder einem dreiköpfigen Schiedssenat bestehen.
Das Verfahren gilt als eingeleitet, sobald der/die Einzelschiedsrichter/in oder der/die letzte der bestellten Schiedsrichter/innen, normalerweise der Präsident des Schiedsrichtersenats, den Auftrag angenommen hat.
Von diesem Zeitpunkt an beginnt der Ablauf der Frist für die Fällung der schiedsrichterlichen Entscheidung, des sogenannten Schiedsspruches, welche 180 Tage beträgt.
Diese Frist kann von den Streitparteien im schriftlichen Einvernehmen ein oder mehrmals verlängert werden. Sind nicht urkundliche Beweise aufzunehmen (zum Beispiel Zeugenbeweis), so können die Schiedsrichter die Frist ein einziges Mal und um nicht mehr als 120 Tage verlängern.
Der Schiedsspruch ist für die Parteien ab dem Zeitpunkt seines Ergehens sofort bindend und kann bei Nichtbefolgung von der dadurch nachteilig betroffenen Partei in der Kanzlei des zuständigen Landesgerichtes zum Zwecke der Zwangsvollstreckung hinterlegt werden. Das Landesgericht erklärt den Schiedsspruch nach Überprüfung der förmlichen Rechtmäßigkeit für vollstreckbar und verleiht ihm somit die volle Wirksamkeit eines Urteils. Der Schiedsspruch kann nunmehr unmittelbar vollstreckt werden.
Der Schwerpunkt des Schiedsgerichtsverfahrens liegt in der raschen Abwicklung von Rechtsstreitigkeiten. Dies schließt nicht aus, dass den Parteien Rechtsmittel zur Anfechtung einer als falsch oder ungerecht erachteten Entscheidung zur Verfügung stehen.
Der Schiedsspruch kann, wenn auch nur aus den in der italienischen Zivilprozessordnung ausdrücklich erwähnten Gründen, vor der ordentlichen Gerichtsbarkeit angefochten werden.
Die Rechtsordnungen anderer Staaten sehen im Allgemeinen spezifische Rechtsmittel für die Anfechtung von Schiedssprüchen vor, wobei jedoch die Anfechtungsgründe von Staat zu Staat verschieden sind.
Das Schiedsgerichtsverfahren wird in seinem Vorhaben, ein rasches und wirksames Verfahren zu sein, durch die Möglichkeit einer Anfechtung der Schiedssprüche nicht beeinträchtigt, da eine Anfechtung eines bereits vollstreckbaren Urteils zur reinen Verzögerung sinnlos wäre.
Die Parteien können im Schiedsvertrag die Unanfechtbarkeit des Schiedsspruches vereinbaren (was häufig geschieht) oder von vorne herein eine Verzichterklärung auf jedes Rechtsmittel abgeben.
Die volle oder teilweise Gültigkeit einer derartigen Verzichtsklausel hängt von den im konkreten Fall gültigen und anzuwendenden Verfahrensvorschriften ab, welche aufgrund des Sitzes des Schiedsgerichtes bestimmt werden.
In der italienischen Rechtsordnung, welcher die vom Schiedsgericht der Handels-, Industrie-, Handwerks- und Landwirtschaftskammer Bozen (in der folgenden Regelung kurz Schiedsgericht Bozen genannt) abgewickelten Schiedsgerichtsverfahren aufgrund ihres Sitzes zugeordnet werden müssen, hat ein vorhergehender Verzicht auf Anfechtung eine nur teilweise Wirksamkeit, da die Möglichkeit einer Anfechtung aus bestimmten Gründenals unabdingbar betrachtet wird.
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