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Südtirol von Brain Drain betroffen
Verliert Südtirol hochqualifizierte Arbeitskräfte und wenn ja, in welchem Ausmaß? Was sind die Gründe dafür? Diesen Fragen ging das WIFO – Institut für Wirtschaftsforschung der Handelskammer Bozen in seiner neuen Studie nach und tatsächlich kann von einem „Brain Drain“, sprich einer Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte, gesprochen werden. Zwar sind in den letzten Jahren zahlenmäßig mehr Personen zu- als abgewandert, allerdings weisen die Zuwander/innen im Schnitt ein geringeres Qualifikationsniveau auf als die Abwander/innen.
In Zusammenarbeit mit dem Amt für Arbeitsmarktbeobachtung hat das WIFO die Wanderungsbewegungen von und nach Südtirol untersucht. Ziel war es dabei, ein aktuelles und umfassendes Bild der Zu- und Abwanderung zu erstellen und dabei insbesondere auf das Bildungsniveau der Arbeitskräfte einzugehen. Dafür wurden unter anderem 516 Zuwander/innen und 769 Abwander/innen zu ihrer Ausbildung, ihren Wanderungsmotiven und ihrer Meinung zum Lebens- und Arbeitsort Südtirol befragt.
Ein Ergebnis der Studie ist die Tatsache, dass die jährliche Anzahl der Südtiroler Abwander/innen kontinuierlich auf rund 1.500 Personen (2017) gestiegen ist, wobei rund 70 Prozent davon akademisch gebildet sind. Häufig wird der ausländische Studienort als neuer Wohnsitz gewählt. Der Wegzug hat dabei in erster Linie arbeitsbedingte Gründe, da Karrieremöglichkeiten, ausbildungsadäquate Arbeitsplätze und attraktive Löhne in Südtirol vermisst werden. „Als Südtiroler Landesregierung ist es unser Ziel, Rahmenbedingungen laufend zu optimieren und zu adaptieren, sodass wir Fachkräfte im Land behalten und darüber hinaus kluge Köpfe aus dem Ausland nach Südtirol holen“, so Landesrat Philipp Achammer.
Klare Unterschiede lassen sich beim Bildungsniveau der Zuwander/innen erkennen: Jene aus außereuropäischen Ländern weisen das geringste Qualifikationsniveau auf. Viele haben höchstens einen Mittelschulabschluss, sind als Hilfsarbeitskraft beschäftigt und beherrschen weder die deutsche noch die italienische Sprache. Ein Drittel der Zuwander/innen stammt aus anderen europäischen Ländern, wobei sehr viele einen Maturaabschluss haben und eine der beiden Landessprachen gut beherrschen. Von den zahlenmäßig wenigen Hochqualifizierten aus Deutschland und Österreich kann Südtirols Arbeitswelt profitieren. Auch Arbeitskräfte aus den anderen Provinzen Italiens spielen bei der Zu- und Abwanderung eine bedeutende Rolle, wobei ihre Beweggründe vor allem auf persönliche Motive zurückzuführen sind.
Ein ambivalentes Bild zeigt sich bei der Bewertung Südtirols als Arbeits- und Lebensort: Einerseits überzeugt Südtirol mit einer hohen Lebensqualität, vielfältigen Sport- und Freizeitangeboten sowie attraktiven öffentlichen Diensten. Andererseits stellen die hohen Lebenshaltungskosten, das geringe Lohnniveau und fehlende Karrieremöglichkeiten Schwierigkeiten dar. Auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist verbesserungswürdig. Dabei bewerten die Abwander/innen den Arbeitsmarkt meist kritischer.
Handelskammerpräsident Michl Ebner unterstreicht: „Die Entscheidung nach Südtirol zu kommen bzw. zurückzukehren, wird von vielen Faktoren beeinflusst. Südtiroler Studierende können beispielsweise mit attraktiven Arbeitsangeboten aktiv angesprochen werden. Wichtig ist es auch, über die Universitäten direkt mit ihnen Kontakt aufzunehmen. Mentoring-Angebote und Jobvermittlungen für die Partner/innen könnten zusätzliche Anreize bieten.“
Die Studie „Brain Drain – Brain Gain: Wie attraktiv ist Südtirols Arbeitsmarkt?“ liegt in gedruckter Form in der Handelskammer Bozen auf und ist online abrufbar.
Weitere Auskünfte erteilt das WIFO – Institut für Wirtschaftsforschung, Ansprechpartner sind Urban Perkmann, Tel. 0417 945 718, urban.perkmann@handelskammer.bz.it und Klaus Oberrauch, Tel. 0471 945 726, klaus.oberrauch@handelskammer.bz.it