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Generationenwechsel
30% der Familienunternehmen überleben den Übergang von der ersten zur zweiten Generation; nur 12% schaffen es bis zur dritten und gar nur 4% bis zur vierten Generation. Ist hier eine Trendumkehr möglich?
Der Generationswechsel bzw. der Übergang der Betriebsführung und/oder des Eigentums eines Unternehmens von einer Generation zur nächsten spielt für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung Südtirols eine wesentliche Rolle: In Südtirol werden nämlich 93% der Privatunternehmen von einer Familie beherrscht oder geführt. Die Familienunternehmen sind das Rückgrat der Südtiroler Wirtschaft. Dazu gehören nicht nur größere Unternehmen wie Loacker, Thun und Oberalp, sondern auch der Großteil der kleinen und mittleren Unternehmen wie Stahlbau Pichler, Alois Lageder und Adler Spa Resort. In den nächsten Jahren stehen zahlreiche Nachfolgen an, da 43% der Firmeninhaber über 60 Jahre alt sind. Die Generation der „Baby Boomers“, die ihr Geschäft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gegründet oder geerbt hat, wird ihre Unternehmen bald an die nachfolgende Generation der „Millennials“ übergeben. In den letzten Jahrzehnten ist zudem eine längere Überschneidung der Senior-Generation mit jener der Juniors, aber auch eine Abnahme der potentiellen Nachfolger zu beobachten. Über-80-jährige Unternehmer, die immer noch am Ball bleiben, sind in italienischen Unternehmen keine Seltenheit.
Im Vergleich zu früher sind die Familienoberhäupter immer älter und die Familien selbst bunter und komplexer. Daher ist der Generationswechsel in den italienischen Unternehmen auch mit vielen Schwierigkeiten verbunden und muss sorgfältig bedacht werden. Warum misslingen viele Unternehmensnachfolgen? Welche Mittel stehen den Unternehmern zur Verfügung, um diese Herausforderung zu meistern?
Häufig fokussiert sich der Generationswechsel auf technische oder steuerliche Aspekte. Dabei rücken andere Aspekte, die das Management und die Familie betreffen, schnell in den Hintergrund. Aber genau das sind die größten Risikofaktoren bei der Übergabe des Betriebes an die nächste Generation. Daher ist vor allem auf diese Aspekte zu achten, indem Grundsätze und Richtlinien für die Nachfolge festgelegt werden. Ein Beispiel: Der Generationswechsel ist oft von Konflikten und Spannungen zwischen zwei Generationen geprägt. Die neue Generation neigt gewöhnlich dazu, Innovationen und Änderungen einzuführen, während die Senior-Generation traditionsgebundener ist und eher schützen möchte, was mit soviel Mühe aufgebaut worden ist. Diese Spannungen führen zu psychologischem Stress, mangelnder Dialogbereitschaft und emotionalem Abstand zwischen den Generationen. Werden solche Spannungen zwischen Generationen vernachlässigt, können sie das Fortbestehen des Familienunternehmens aufs Spiel setzen und eine Spaltung innerhalb der Familie herbeiführen.
In solchen Fällen kann der Eingriff eines Vermittlers maßgebend für das Überleben des Betriebes und der Familie sein: Er hilft vor allem bei der Definition der Richtlinien, die bei der Nachfolge zu beachten sind. Wichtig ist es in diesem Zusammenhang, in die Ausbildung und Entwicklung des zukünftigen Geschäftsführers zu investieren. Gezielte Coaching-, Mentoring- und Mediationsprogramme helfen den Familienmitgliedern, ihre Rollen zu festigen und Spannungen zu mindern. Damit ermöglichen sie einen nicht allzu schmerzhaften Generationswechsel. Ziel dieser Ratschläge ist es, den Generationen die erforderlichen Mittel zu liefern, um Konflikte in der Beziehung zueinander und persönliche psychologische Bedürfnisse zu erkennen, zu hinterfragen und zu befriedigen bzw. rational zu lösen. Eine korrekte Vermittlung zwischen den Generationen leitet einen allmählichen Prozess der Veränderung ein, der sich nicht auf festgelegte Anweisungen oder Hilfspakete stützt. Vielmehr regt er die Menschen dazu an, sich Fragen zu stellen und die eigenen Probleme anzugehen, den Standpunkt der anderen zu verstehen und gezielte Mittel einzusetzen, um persönliche und in der Beziehung liegende Probleme zu überwinden.
Ein Generationswechsel ist ein sehr heikler Moment im Leben eines Unternehmens. Damit dieser nicht auch zum Tod des Unternehmens führt, braucht es ein umsichtiges und angemessenes Management der Situation. Um die wirtschaftliche Entwicklung Südtirols zu fördern, genügt es nicht, die Gründung von Start-ups und neuen Unternehmen zu unterstützen; auch das Überleben der bestehenden Unternehmen über Generationen hinweg erfordert einen gezielten Einsatz. Solche Unternehmen stellen einen unermesslichen Reichtum dar, den wir schützen müssen, damit er über Generationen wachsen kann.
Autoren
Alfredo De Massis und Vittoria Magrelli, Freie Universität Bozen, Centre for Family Business Management
Dieser Fachbeitrag ist im Zuge einer Zusammenarbeit zwischen der Freien Universität Bozen – Centre for Family Business Management und der Handelskammer Bozen entstanden.