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Assistenzsysteme in der Fertigung
Welche Vorteile bieten Assistenzsysteme in der Fertigung?
Industrie 4.0 - die sogenannte Vierte Industrielle Revolution ist gegenwärtig in aller Munde. Die Digitalisierung und die Vernetzung der Produktionsprozesse eröffnen neue Wege der Produktivitätssteigerung und Flexibilität. Während die Komplexität der technischen Lösungen immer weiter steigt, steigen auch die Anforderungen an die Mitarbeiter in den Industrie- und Handwerksbetrieben. Neue Technologien ermöglichen es dem Mitarbeiter auf neue und innovative Art und Weise mit Maschinen zu interagieren und zusammenzuarbeiten. Moderne Assistenzsysteme können den Menschen vielseitig unterstützen und ihn kognitiv und physisch entlasten. Derartige Systeme machen es möglich Fehlerraten und Arbeitsbelastung zu reduzieren und gleichzeitig die Zufriedenheit der Mitarbeiter zu verbessern. Die Unterstützung, welche von diesen Assistenzsystemen ausgeht kann dabei in drei Kategorien eingeteilt werden:
- Steigerung der Effizienz am Arbeitsplatz: Der Mitarbeiter erhält dabei durch das Assistenzsystem eine zusätzliche physische oder mentale Unterstützung und kann dadurch Aufgaben noch effizienter durchführen.
- Steigerung der Ergonomie am Arbeitsplatz: Der Mitarbeiter erhält durch das Arbeitssystem eine Arbeitserleichterung, sodass Aufgaben sicher und ergonomisch ausgeführt werden können.
- Kompensation von Defiziten: Ältere Mitarbeiter oder Mitarbeiter mit Beeinträchtigungen können durch technische Hilfsmittel und Assistenzsysteme besser in das Arbeitsumfeld integriert werden.
Kognitive Assistenzsysteme
Zu den kognitiven Assistenzsystemen zählen unter anderem moderne Augmented- (AR), Virtual- (VR) und Mixed-Reality (MR) Technologien. Diese flexiblen Technologien sind bereits heute in vielerlei Assistenz-Szenarien einsetzbar. VR-Systeme ermöglichen es dem Mitarbeiter vollkommen virtuelle Welten zu betreten. Dies erlaubt beispielsweise Schulungen an noch nicht vorhandenen Anlagen durchzuführen oder gefährliche Situationen ohne reales Risiko zu trainieren. Derartige Systeme sind in Flugsimulatoren schon seit vielen Jahren verpflichtender Teil der Pilotenausbildung. AR-Systeme hingegen reichern die real wahrgenommene Welt mit zusätzlichen Informationen an. Ihre Spannweite reicht von einfachen Pick-by-light Systemen, welche Mitarbeiter bei der Montage zu den jeweils benötigten Teilen führen, über digitale Projektionssystemen, welche dynamisch Montageanleitungen direkt auf Arbeitsflächen projizieren, bis hin zu mobilen Datenbrillen, welche dem Träger vielerlei nützliche Informationen wie Teilenummern, Maschinen- und Anlagenzustände direkt ins Sichtfeld einblenden können. Sie können auch verwendet werden um den Nutzer gezielt an einen Ort zu führen, beispielsweise im Lager. MR schließlich verschmilzt die beiden Konzepte, und ermöglicht es interaktive virtuelle Objekte in der realen Welt entstehen zu lassen. Anwender sind hier beispielsweise Wartungstechniker, welche vor Ort ein 3D-Modell, der zu reparierenden Maschine zur Verfügung haben, aber auch Monteure, welche sich die geplante Position der zu installierenden Teile direkt anzeigen/einblenden lassen können. Auch in der Planungs- und Entwurfsphase ist MR anwendbar - die Technik erlaubt es virtuelle Gegenstände in einem realen Ort einzupassen und direkt zu testen, wie sich der jeweilige Ort dadurch verändert. Gerade für die Planung von Arbeitsplätzen ist dies ein großer Vorteil. Durch verbesserte Sensorik wird es in diesen Bereichen auch immer einfacher Lage, Form oder Oberflächenbeschaffenheiten zu erfassen, um so Dokumentation und Qualitätssicherung direkt in den Arbeitsablauf zu integrieren.
Physische Assistenzsysteme
Eine gänzlich andere Art der Unterstützung wird durch sogenannte physische Assistenzsysteme wie bspw. Exoskelette ermöglicht. Diese Assistenzsysteme werden zunehmend in Industrie- und Logistikunternehmen eingesetzt. Dabei handelt es sich um Stützstrukturen für den Menschen, die außen am Körper getragen werden und die Bewegungen des Arbeiters durch maschinelle Kraft unterstützen und verstärken. Hinsichtlich ihrer Komponenten und Funktionsweise können Exoskelette grundsätzlich in aktive und passive Strukturen unterteilt werden. Aktive Exoskelette weisen neben mechanischen Elementen zusätzlich auch Komponenten auf, die zur Lastminderung und Kraftreduktion beitragen. Dies kann unter anderem durch verbaute Elektromotoren und Batterien erzielt werden. Passive Exoskelette dagegen unterstützen den Körper ausschließlich durch mechanische Baukomponenten wie Gewichte, Federn oder Schienen. Dabei verfügen sie über keinen aktiven Antrieb. Während passive Exoskelette bereits in der Produktion von namhaften Unternehmen zum Einsatz kommen, befinden sich aktive Außenskelette noch überwiegend in der Erprobungsphase. Dies hängt durchaus auch mit dem, um ein vielfaches niedrigeren Anschaffungspreis des passiven Exoskeletts zusammen, welcher lediglich bei wenigen Tausend Euro liegt. Sowohl die aktiven, als auch passiven Stützstrukturen haben Vor- und Nachteile. Während aktive Exoskelette auf externe Energiequellen zum Laden der Akkus oder Batterien angewiesen sind, sind passive Modelle nicht an eine externe Energieversorgung gebunden. Auch sind die aktiven Modelle oftmals schwerer, bieten allerdings einen signifikant höheren Unterstützungsgrad. Durch derartige Assistenzsysteme können biomechanische Belastungen des Arbeiters verringert und damit zusammenhängende krankheitsbedingte Ausfallzeiten langfristig reduziert werden.
Autoren
Dott.-Ing. Benedikt Mark (Freie Universität Bozen) und Dipl.-Ing. Dieter Steiner (Fraunhofer Italia)