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Finstral
Beim Unternehmen Finstral kommen probeweise Werker-Assistenzsysteme zum Einsatz. Exoskelette sollen die Mitarbeiter beim Heben schwerer Lasten unterstützen. Eine Technologie mit Zukunft.
Herr Girardo, wo kommen bei Finstral Werker-Assistenzsysteme zum Einsatz?
Wir produzieren Fenster und Türen, d.h. Elemente mit einem gewissen Gewicht. Seit jeher hat unser Unternehmen versucht, die Belastung für die Mitarbeiter zu verringern. Deshalb kommen schon seit Langem in den Produktionshallen Kräne und ähnliche Systeme zum Einsatz, da sind wir sehr gut aufgestellt. Das Problem ist die Verladung der Fenster und Türen in die Lastwagen – viele haben dafür eigene Kransysteme, aber nicht alle – und vor allem der Transport zum Kunden und die Montage in den Häusern bleibt eine beträchtliche Belastung für die Mitarbeiter.
Was kann da helfen?
Wir haben uns umgesehen und haben die Exoskelette entdeckt, die wir seit drei Jahren intensiv von Mitarbeitern in verschiedenen Abteilungen mit verschiedenen Ansprüchen testen lassen.
Wie sind die Rückmeldungen?
Die Rückmeldungen waren nicht einheitlich, es gab positive und negative. Es handelt sich immerhin um etwas, das ich mit meinem Körper verbinde und es fühlt sich daher nicht natürlich an. Die Frage ist, unterstützt das Exoskelett, und wie viel? Wenn die Mitarbeiter rückmeldeten "ist nicht schlecht" war dies für uns nicht eindeutig und zu wenig. Was heißt das genau? Um dieser Frage nachzugehen haben wir eine Firma gefunden, die Bewegungsanalysen für Sportler macht. Mit Positionssensoren und mit einer Elektromyografie, die Nadelelektroden verwendet, um die Muskelaktivität zu messen. Wir haben die Arbeit abwechselnd mit und ohne Exoskelett durchgeführt. Die Resultate waren aber anfangs nicht aussagekräftig. Der Körper muss sich erst an das Hilfsmittel gewöhnen. Dann haben drei Mitarbeiter das Exoskelett einen Monat lang täglich getragen, und wir haben erneut gemessen. Da sahen wir, dass es wirklich nützte. Die Mitarbeiter gaben an, dass sie nach ein paar Tagen Eingewöhnung am Abend weniger müde waren. Und auch die Messungen zeigten eine Verringerung der physischen Anstrengung.
Drei Exoskelette werden der Finstral nicht genügen…
Die Testphase ist abgeschlossen, jetzt wollen wir schrittweise mehr kaufen. Die Exoskelette werden nicht verpflichtend sein, aber wir wollen dafür werben, denn wir haben keine Nachteile gefunden.
Wie viel kosten sie?
Um die 5.000 Euro pro Stück. Die Preise sind in den vergangenen Jahren gestiegen, um fast ein Drittel. Die von uns verwendete Art von Exoskelett hat keine Motoren, keine Batterien. Es ist im Prinzip eine Feder. Ich brauche etwas Kraft, um sie zusammenzudrücken, wenn ich in die Hocke gehe, und sie unterstützt mich, wenn ich mit dem Gewicht aufstehe und sie sich wieder entspannt. Es gibt viele verschiedene Modelle. Unseres unterstützt den unteren Rücken, es gibt auch Systeme für Arme und Schultern, wenn man über Kopf arbeitet. Die Systeme entwickeln sich stark weiter, wir stehen erst am Anfang.
Wie funktioniert das Anziehen?
Die ersten Male muss man eingewiesen werden, danach kann man es alleine anziehen. Erst zieht man das Gurtzeug an, das genau an Körpergröße und -form angepasst werden muss. Danach wird die Metallstruktur mit zwei Bolzen am Gurtzeug fixiert. Das ist schnell Routine.
Besteht Verletzungsgefahr? Weil man stürzt, oder mit der Kraft nicht umgehen kann?
Unsere Hauptfrage war, kann die dauernde Benützung Schäden verursachen? Es gibt keine Studien dazu, die Technik ist neu. Wir haben keine Garantie, dass es nicht langfristig zu Problemen kommen kann, aber es ist auch nichts dokumentiert, das eventuell später zu einem Problem werden könnte. Natürlich, wenn ich ein Metallgerüst an mir trage und ich stürze, warum auch immer, kann ich mich verletzen. Aber ich gehe ja nicht damit wandern, ich trage es nur in einem definierten Umfeld. Und es ist gepolstert.
Es gibt auch motorisierte Systeme.
Wir haben uns auch damit beschäftigt. Natürlich soll man an der Sicherheit nicht sparen, aber wir reden hier von 100.000 Euro pro Stück. Wenn ich 100 Exemplare brauche, ist das nicht finanzierbar. Und der Einfluss auf den Körper ist viel größer. Ich trage eine Maschine an mir herum. Die Art der Interaktion ist anders. Sie schreckt uns noch ab. Ich sehe die Zukunft motorisierte Systeme vor allem im medizinischen Bereich. Wenn ein Rollstuhlfahrer dank dieser Technologie irgendwann wieder gehen kann, ist das wunderbar.
Info
Ivan Girardo, Jahrgang 1983, ist der Leiter der Dienststelle Arbeitsschutz (LDAS) und seit acht Jahren bei der Finstral.
Die Finstral AG ist ein Familienunternehmen mit Hauptsitz in Unterinn am Ritten. Gegründet wurde es 1969 von Hans Oberrauch und Max Lintner. Die Finstral fertigt ursprünglich Fenster mit Kunststoffkern, heute auch Schiebetüren, Haustüren, Wintergärten, Fensterwände, Klappläden, Rollläden und Insektengitter. Finstral bietet von der Entwicklung der Profile über die hauseigene Produktion bis zur Montage alles selbst an. Die Firma unterhält 14 Produktionswerke, 25 Studios und beschäftigt rund 1.400 Mitarbeiter in 14 Ländern.