Contrast:High contrast|Normal view
Digital Twin und Simulation – Teil 1
Im Zeitalter der Industrie 4.0 nehmen die Digitalisierung und die Netzverbindungen der Systeme sowie die Automation der Prozesse rapide zu. Derselbe Trend wird auch in der mechanischen Planung beobachtet, in der der Einsatz der Computer weiterhin steigt. Lange Zeit wurden die strukturellen Berechnungen eines Systems analog durchgeführt. Heute stehen den Konstrukteuren dank der Entwicklung neuer Technologien fortgeschrittene Instrumente (FEM) zur Verfügung, die detaillierte Analysen und eine Präzision ermöglichen, die bis vor wenigen Jahren noch unvorstellbar gewesen wären. Dies alles hat aber natürlich seinen Preis. Im wahrsten Sinne des Wortes. Die Programme für numerische Analysen bieten sehr viele Möglichkeiten, sind aber auch sehr teuer. Daher liegt die Frage nahe: Warum nicht auf Open-Source-Instrumente zurückgreifen? Es gibt tatsächlich sehr viele kostenlose Programme, die den kleinen und mittelständischen Unternehmen dieselben Ergebnisse der verkauften Software bieten, ohne Lizenzen erwerben zu müssen. Dadurch kann nicht nur Geld, sondern auch Zeit bei den Berechnungen gespart werden, da die Berechnungen besser parallelisiert werden können. Schließlich ist noch zu berücksichtigen, dass der Code auch an die eigenen Anforderungen angepasst werden kann.
Die Planung von Strukturen
Historisch gesehen stützt sich die Planung eines mechanischen Systems auf Theorien, Widerstandskriterien, Näherungsformeln, Rechtsnormen.... kurzum: Es gibt keinen einheitlichen, allgemeinen Ansatz, der quer durch die Bank für alle mechanischen Komponenten angewendet werden könnte. Oft entwickeln die einzelnen Betriebe ihre eigenen Rechensysteme. Aber kann das alles im digitalen Zeitalter nicht irgendwie verbessert werden? Die Finiten Elemente (FE) sind in der mechanischen Planung nicht neu, auch wenn sie erst seit wenigen Jahren auf industrieller und handwerklicher Ebene mehr Verbreitung finden. Der wichtigste Vorteil der Verwendung von finiten Elementen liegt in der Möglichkeit, auch geometrisch sehr komplexe Formen modellieren zu können, ohne geometrische Näherungswerte oder berichtigende Koeffizienten einführen zu müssen. Die numerischen FE-Untersuchungen gestatten es, jegliche Art von Bindung oder Last zu modellieren. So können die Wechselwirkungen zwischen Komponenten und die thermischen Wirkungen untersucht sowie nicht lineare Materialien modelliert werden, etc.
Oft ist jedoch eine Lösung in geschlossener Form nicht möglich, und es muss eine numerische gesucht werden. Eines der Hauptrisiken in Verbindung mit einer FE-Software ist die Tatsache, „dass immer eine farbige Lösung gefunden werden kann“. Die Richtigkeit derselben hängt jedoch von der Modellierung des Systems ab; aus diesem Grund ist es sehr wichtig, dass der Benutzer über gute Theoriekenntnisse verfügt und so von den richtigen Anfangsthesen ausgehend zu korrekten Ergebnissen gelangt.
Analyse
Die Analyse der finiten Elemente setzt sich typischerweise aus drei Phasen zusammen: pre-processing, d.h. die Phase der Modellierung, processing, in der die eigentliche Lösung des Problems erarbeitet wird, und post-processing, mit der Ausarbeitung der Ergebnisse.
In jeder Phase ist die Art der geometrischen Vereinfachung zu wählen, die sinnvoll sein könnte, oder die finiten Elemente, die Art der Darstellung der Bindungen und welche Außenlasten berücksichtigt werden sollen.
Eine solche Lösung (sog. digital twin) ermöglicht die Einschätzung der Verformungen, des Spannungszustandes, des Temperaturbereiches, etc. und liefert Daten, mit denen das Projekt verbessert werden kann.
Die Genauigkeit der numerischen Lösung (Simulation) hängt jedoch stark von den Annahmen und den Entscheidungen des Konstrukteurs ab; daher spielt die Ausbildung des Personals auch eine sehr große Rolle. Die Freie Universität Bozen bietet regelmäßig Ausbildungskurse für Betriebe an (sowohl Grundkurse als auch Kurse für Fortgeschrittene). Es können auch maßgeschneiderte Kurse zu spezifischen Themen angefordert werden.
Die FEM ist zwar mittlerweile eine bewährte Technologie, doch ist ihre Einführung in Entwicklungsprozesse nur wenigen vorbehalten. Sie birgt aber sicherlich ein großes Potenzial für die kurz- und mittelfristige Zukunft.
Autor
Dr. Franco Concli, Freie Universität Bozen, Mechanical Lab, Fakultät für Naturwissenschaften und Technik