Contrast:High contrast|Normal view
Solunio
Produktionsprozesse werden in Zukunft in Echtzeit überwacht, bei Störungen kann dadurch sofort reagiert werden.
Herr Unterberger, was ist Digitales Shopfloor Management und warum brauche ich es?
Matthias Unterberger: Durch die Einführung eines Digitalen Shopfloor Managements werden Produktionsprozesse und Produktionsressourcen überwacht, um bei Abweichungen und Störungen gezielt zu handeln. Über ein integriertes Maßnahmenmanagement werden Verbesserungen nachhaltig umgesetzt.
Was sind die Vorteile gegenüber dem herkömmlichen Vorgehen?
Durch die Erfassung von Daten aus der Produktion und die Vernetzung mit der bestehenden IT-Systemlandschaft im Unternehmen können innerhalb kurzer Zeit erste Verbesserungen erzielt werden und damit die sogenannten „low-hanging fruits“ geerntet werden. Eine derartige Datenbasis schafft Transparenz und hilft aktiv Probleme zu lösen und Optimierungspotenziale zu erkennen und zu nutzen.
Wie läuft die Datenerfassung ab?
Digitale Shopfloor-Lösungen lesen die Daten aus den bestehenden Systemen, welche in der Fertigungsumgebung genutzt werden. Dies können beispielsweise Prozessparameter aus der Anlagenautomation, Datenaufzeichnungen in Excel-Files oder Auftragsdaten aus dem ERP-System sein. Diese Daten werden neu strukturiert, in Beziehung gesetzt und technisch aufbereitet. Das Ziel dabei ist es, aus den Daten Informationen zu gewinnen und diese den Mitarbeitern unterstützend zur Verfügung zu stellen. Dabei ist es wichtig, die Inhalte an die Bedürfnisse der einzelnen Mitarbeitergruppen anzupassen, zum Beispiel über rollenspezifische Dashboards.
Was ist die Herausforderung bei solchen Projekten?
Das besondere an derartigen Projekten ist es, ein vollintegriertes System für das Digitale Shopfloor Management zu schaffen, welches in die bestehende Systemlandschaft eingebettet werden kann. D.h. es müssen sowohl die technischen als auch die fachlichen Funktionalitäten gemeinsam definiert und abgebildet werden. Eine häufige Anforderung ist, dass das System in kurzer Zeit in Betrieb genommen und sehr flexibel an die spezifischen Anforderungen des Betriebs angepasst werden kann. Dadurch ist gewährleistet, dass die Produktion pragmatisch und agil arbeiten kann und das mit geringen Kosten.
Wer sind typische Anwender von Digitalen Shopfloor Management Systemen, und ab welcher Betriebsgröße ist der Einsatz sinnvoll?
Digitale Shopfloor Management Lösungen werden in unterschiedlichen Branchen wie beispielsweise Automotive, Elektronikfertigung oder Kontraktlogistik eingesetzt. Es können im Normalfall auch mehrere Standorte eines Unternehmens integriert werden. Der Einsatz derartiger Lösungen ist immer dann sinnvoll, wenn nach industriellen Prinzipien gefertigt wird und zahlreiche Produktionsressourcen wie beispielsweise Fertigungsmaschinen eingesetzt werden. Erfahrungsgemäß macht der Einsatz ab circa 200 Mitarbeitern pro Standort in besonderem Maße Sinn.
Wie aufwändig ist die Implementierung?
Die technische Herausforderung hält sich meistens in Grenzen. Nicht zu unterschätzen ist jedoch der organisatorische Eingriff in den Betrieb. Derartige Systeme sollten Schritt für Schritt eingeführt und die zugrundeliegenden Abläufe angepasst werden. Dabei gilt es, die Mitarbeiter zu involvieren und deren Wissen zu nutzen. Ohne die Unterstützung der Mitarbeiter funktioniert es nicht.
Wie hat sich die Corona-Pandemie auf das Thema Digitales Shop Floor Management ausgewirkt?
Durch die Pandemie wurde die Digitalisierung von Unternehmensprozessen insgesamt angekurbelt und insbesondere auch die Digitalisierung in der Fertigung. Die Bedeutung von Transparenz über die Fertigungsprozesse und von systematischem Maßnahmenmanagement hat speziell vor dem Hintergrund, dass viele Mitarbeiter im Home-Office arbeiten, zugenommen.
Wie sehen Sie Südtirols Unternehmen bei diesem Thema aufgestellt?
Meiner Erfahrung nach hat die Digitalisierung auch bei Südtiroler Unternehmen einen hohen Stellenwert. Wir dürfen einige namhafte Industrieunternehmen in Südtirol zu unseren Kunden zählen.
Info
Matthias Unterberger, 44, arbeitete nach dem Informatikstudium an der TU München für einen großen Südtiroler Automotive-Zulieferer. Dort machte er Erfahrungen mit industriellen Prozessen, Lean Management und Shopfloor Management. Als Software-Engineer hat er die Implementierung eines umfangreichen Produktionssystems unterstützt und erkannte das Potential des Datenmanagements in der industriellen Fertigung.
2013 gründete er gemeinsam mit einem Partner die Firma Solunio mit Sitz in Bruneck und brachte im Jahr 2016 eine Softwareplattform zum Digitalen Shopfloor Management auf den Markt.