Handelskammer Bozen
Wirtschaft = Zukunft

Renata Kostner

Hotelbetreiberin mit Kunstsinn und Kampfgeist

Mit dem, was sie gesehen und geschaffen hat, könnte Renata Kostner Pizzinini mühelos zwei Mal 75 Jahre mit Leben füllen: Die Seniorchefin des „Cappella“ in Kolfuschg hat in ihrem Vier-Sterne-Hotel Präsidenten empfangen und mit Botschaftern diniert, auf Reisen in 95 Ländern Könige und Bergsteiger von Weltrang kennengelernt, in ihrer „Art Gallery Renèe“ Werke von Salvador Dalí, Salvatore Fiume oder Siegward Sprotte ausgestellt und mit ihrem Mann Giuseppe vier Kinder großgezogen. Dazu war sie viele Jahre lang Vorsitzende der Sozialfürsorge des Gadertals und begeisterte Kletterin. Sie fotografiert nach wie vor mit Leidenschaft und interessiert sich für das Welt- und Kunstgeschehen.

Unter widrigen Umständen haben Sie und Ihr Mann 1969 mit „Cappella“ eines der ersten Vier-Sterne-Hotels des Gadertals eröffnet. Was hat Sie angetrieben?

Wir hatten kein Geld, aber viel Kraft und großen Willen. Damals haben wir eine gut gehende Taverne in Kolfuschg betrieben, ganze Nächte durchgearbeitet, in der Früh manchmal nur einen Kaffee getrunken, die Kleider gewechselt und weitergemacht. Das Hotel haben wir zu Weihnachten 1969 hochverschuldet eröffnet. Keine Bank hat uns Geld geliehen. Wir hatten nicht einmal genug Wäsche für alle Zimmer. Aber wir haben an unsere Arbeit geglaubt und gute Mitarbeiter/innen eingestellt. Die meisten waren und sind schon über 20 Jahre bei uns. Wir waren eine eingeschworene Gruppe und haben immer versucht, gute Gäste anzuziehen.

Wie wichtig ist der Kontakt zu den Gästen?

Das ist das Wichtigste. Ich habe immer etwas Persönliches zum Reden gefunden. Dafür braucht es Gespür. Meinen Mitarbeiter/innen habe ich stets aufgetragen, sich über das Weltgeschehen zu informieren, damit sie Antworten haben und mitreden können, wenn sie gefragt werden.

Ihr Vater hat Sie als Jugendliche als sehr unzufriedenen Menschen bezeichnet. Warum?

Mein Vater Thomas und meine Mutter Martha haben den alten Gasthof Cappella in Kolfuschg 1947 übernommen und umgebaut. Das Gasthaus war bekannt für Mutters großartige Küche. Bereits als achtjähriges Mädchen habe ich dort in dem kleinen Laden Karten und Geschenkartikel an die Gäste verkauft. Ich habe den Verkaufspreis eigenständig errechnet, mich hinter der Theke auf einen Hocker gestellt, damit ich größer wirkte. Aber stets ging mir alles zu langsam, war mir alles zu eng. Oft habe ich meinen Vater bedrängt, das Gasthaus zu vergrößern. Als ich Anfang 20 war, hat er mir neben dem alten Gasthaus ein Stück Grund geschenkt. Dort haben mein Mann Giuseppe und ich ein paar Jahre später das Hotel gebaut. Ich war immer auf der Suche nach dem Maximalen, dem Abenteuer, dem Schönsten und Besten. Bei unseren späteren Reisen habe ich Demut gelernt.

Sind Sie heute zufrieden?

Nein, ich bin nicht zufrieden. Ich hätte gerne noch weitere Sprachen gelernt, wäre gerne noch mehr gereist. Aber ich bin sehr dankbar: dass meine Kinder ihren Weg gemacht haben und mein Sohn das Hotel Cappella mit seiner Frau gut weiterführt.

Was haben Sie von Ihren Eltern gelernt?

Meine Mutter war zuständig für das Schöne und für die Großzügigkeit. Zu Weihnachten hat sie Zelten gemacht und verschenkt, ich habe älteren Leuten ihre Brezen gebracht. Wenn einfachere Menschen vorbeikamen, bekamen sie einen Teller Suppe oder etwas zum Essen geschenkt. Am Vater habe ich die Ruhe und Intelligenz geschätzt, er war stets ausgeglichen und zufrieden. Ich bin streng erzogen worden. Bei uns wurde auf jede Lira geschaut.

Waren Sie die Macherin im neuen Hotel?

Mein Mann war der Küchenchef und ist handwerklich sehr begabt. Ich hatte immer alles im Kopf, war für die Geldangelegenheiten zuständig, Rechnen war von klein auf meine Stärke. Schon in der Handelsschule im Mariengarten habe ich in Buchhaltung nie Fehler gemacht. Ich wollte immer lernen, habe alle möglichen Weiterbildungen besucht, mir alles aufgeschrieben.

Welche Barrieren gab es für Sie als Frau zu überwinden?

In manche Büros von Politikern durfte ich gar nicht rein. Aber ich war eine Kämpferin, habe nie aufgegeben. Wenn uns Politiker benutzen wollten, weil wir hochrangige Persönlichkeiten zu Gast hatten, kannte ich keinen Spaß. Bei Sitzungen mit den Gastwirten habe ich immer mitgeredet. Die Leute sind oft auf mich zugekommen und haben gesagt: „Du musst was tun Renata, dir glauben sie mehr.“ Zivilcourage und Kraft waren gefragt. Ich denke, da bin ich ganz eine Kostner.

Zwischen 1966 und 1970 haben Sie drei Töchter und einen Sohn geboren. Wie haben Sie Kinder und Hotel unter einen Hut bekommen?

Ich habe die Kinder lange gestillt und während sie geschlafen haben, bin ich zu den Gästen gegangen, dann wieder zum Stillen und Windeln wechseln. Als unsere älteste Tochter acht Monate alt war, haben wir ein Kindermädchen eingestellt. Trotzdem waren wir immer für unsere Kinder da, wenn sie uns gebraucht haben, haben sie zu skirennen begleitet; sie konnten schwimmen, Tennis spielen und reiten lernen. Obwohl wir verschuldet waren, fuhren sie im Sommer mit meiner Mutter und dem Kindermädchen für zwei Wochen ans Meer. Wir gingen sie nur für einen Tag besuchen, hatten bereits Saisonarbeit.

Wie wichtig waren die Mitarbeiter?

Unsere Mitarbeiter waren ein Teil der Familie. Ich war streng mit ihnen, mein kontrollierendes Auge war überall. Wir haben viel gearbeitet, aber auch gefeiert. Viele unserer früheren Kellner und Köche führen heute selbst große Hotels oder Geschäfte. Ich habe sie am Weggehen nicht gehindert, im Gegenteil: Ich habe sie in ihren Vorhaben bestärkt, ihnen manchmal auch geholfen.

Das Reisen liegt Ihnen im Blut. Sie haben mit Ihrem Mann 95 Länder bereist. Woher kommt die Reiselust?

Die habe ich vermutlich von meinem Großvater Josef Kostner geerbt. Er war ein berühmter Bergführer und ein geologischer Kenner. Er besaß eine große Sammlung von Versteinerungen und hat seltene Stücke an Museen gestiftet. Im Jahr 1902 ging er mit einer Expedition nach Kaukasien und Turkestan. Sein Bruder Franz hat in Zentralasien Berge der Hochgebirge Tien Shan und Pamir bestiegen und studiert. Sie waren Tourismuspioniere unseres Tales. Mein Mann und ich haben alle sieben Kontinente bereist. Wir waren unter anderem die ersten Touristen bei Robert Peroni in Grönland. 1997 sind wir in Tibet Reinhold Messner begegnet. Im Sommer 2014 waren wir in Kasachstan und Kirgisistan sowie Nordwestchina auf den Spuren meines Großonkels. 1976 waren wir in Mexiko, 1981 das erste Mal in China, damals hat man uns mit der Kalaschnikow empfangen, 1987 waren wir im Jemen, 1995 auf Spitzbergen/Norwegen und vor vier Jahren in Nordkorea. Ganz oft sind wir im Zelt und sehr einfach gereist. Auch viele Wüsten haben wir durchquert.

Sie haben viele Kunstgegenstände von Ihren Reisen im Hotel ausgestellt. Der Michelin-Führer 2014 stellt zu Recht die Frage, ob „Cappella“ ein „Kunsthotel“ ist oder eine „Kunstgalerie mit Zimmern“. Was ist es?

Das Hotel hat 1996 den Titel eines Romantikhotels bekommen, es gehörte zu den ersten „Art-Hotels“ in Italien, kein Zimmer gleicht dem anderen. Ich liebe Kunst, kaufe gerne Kunst, stelle sie aus, fotografiere mit Freude, habe die Totems aus altem Holz vor dem Hotel selbst gestaltet. Die Kunstgalerie, die wir 1989 im Hotel eröffnet haben, war die erste im Gadertal: Wir haben Bilder von bekannten Künstlern wie Karel Appel, Massimo Campigli, Sandro Chia, Salvatore Fiume, Carlo Mattioli, Giuseppe Migneco, Antonio Possenti, Siegward Sprotte und Plastiken von Salvador Dalí, Augusto Murer, Aron Demetz oder Lois Anvidalfarei in unserer Sammlung ausgestellt.

Haben Sie immer alles mit Leidenschaft gemacht?

Ja, mit 15, 16 Jahren bin ich mit den Nachbarsjungen wildern gegangen und mit 17 fing ich zu klettern an. Als meine Mutter mich um halb sieben Uhr in der Früh ins Haus huschen sah und fragte, wo ich gewesen sei, antwortete ich lapidar: „in der Kirche“ und sie hat mich gelobt. Dabei bin ich um vier Uhr früh zum Pisciadu-Klettersteig aufgestiegen. Einige Schützen aus unserer Gegend haben mich zu den Schießständen in Brixen, Tramin, Schnals, Hall und Innsbruck mitgenommen. Ich habe mit Gewehr und Pistole geschossen und dabei viele Meistertitel und Preise heimgebracht.

Wenn Frauen Sie um Rat bitten, was sagen Sie ihnen?

Wenn ihr Freude an etwas habt, packt die Chance am Schopf und traut euch. Aber tut auch etwas für euch: im Garten, mit Musik, am Berg. Nehmt euch immer wieder einen freien Tag, jede Frau braucht Zeit für sich. Während mein Mann beispielsweise fischen ging, war ich beim Klettern. Heute stehe ich in der Früh zeitig auf, um zu wandern und zu fotografieren. Ich lese verschiedene Zeitungen, bin auf Facebook und verfolge im Internet das aktuelle Weltgeschehen. Langweilig wird es nicht. Frauen im Gastgewerbe rate ich, sich ein gutes Klientel aufzubauen, mit den Leuten nicht zu viel, aber über das Richtige zu reden. Jeder Gast ist empfänglich für ein schönes Lob. Bildet eure Mitarbeiter/innen aus, bringt ihnen bei, dass es auf das Kleine ankommt. Ich habe meinen Mitarbeiter/innen immer gesagt: Ihr dürft Minister und Botschafter bedienen, beweist ihnen, dass ihr Bescheid wisst. Zu allen Menschen sage ich: Seid ehrlich, lebt mit Enthusiasmus, lacht, habt Freude, lasst euch nicht beeinflussen, zeigt Interesse: Es gibt überall Schönes. Das Leben kann sich von heute auf morgen radikal ändern. Kämpft und gebt nie auf.

Zur Person

Renata Kostner wurde 1940 als zweite Tochter von Thomas Kostner und Martha Peintner, den Besitzern des Gasthof Cappella in Kolfuschg im Gadertal, geboren. Der Vater schenkte ihr ein nahegelegenes Grundstück, wo Renata Kostner mit 23 Jahren ein 5-stöckiges Haus baute, welches ihre Schwester bekam. Mit ihrem Mann Giuseppe Pizzinini, den sie mit 25 Jahren heiratete, baute sie 1968 das Vier-Sterne-Hotel „Cappella“ welches 1969 eröffnet wurde. Sechs Jahre später errichtete das Ehepaar am Hotel einen Tennisplatz, eine Bocciabahn, einen Kinderspielplatz und eines der ersten Hotel-Hallenschwimmbäder Südtirols. Anlässlich des 20-jährigen Hotel-Jubiläums eröffnete Renata Kostner 1989 ihre „Art Gallery Renèe“, 1995 hat das Paar die Dependance neu aufgebaut und im Jahr 2000 das Hotel ausgehöhlt und erneuert. Kein Zimmer gleicht dem anderen, viele sind Künstler/innen gewidmet. Designer wie Roland Moroder, Gyan Antaro, Luigi Veronesi, Renato Missaglia und Matteo Thun haben Suiten entworfen. Das Hotel Cappella gehörte zu den fünf ersten Arthotels Italiens, 2006 wurde es zu einem Romantikhotel. Renata Kostner war außerdem 27 Jahre lang Vorsitzende der Sozialfürsorge von Alta Badia (damals gab es noch keine Vereine wie Caritas oder Vinzenzgemeinschaft), 20 Jahre lang Vorsitzende des lokalen Kindergartens und 16 Jahre im Vorstand des Tourismusvereins, am Anfang als einzige Frau unter 13 Männern. 2013 haben Renata Kostner und Giuseppe Pizzinini das Hotel ihrem Sohn Carlo und dessen Frau Marion übergeben.

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