Handelskammer Bozen
Wirtschaft = Zukunft

Ulrike Laimer

Die Frau im Steilhang

Hoch über Lana, auf 450 Metern Meereshöhe, liegt der Goldbichlhof. Malerisch, geradezu atemberaubend der Ausblick auf das gesamte Etschtal. Ulrike Laimer blickt auf die vielen Hektar Obstanlagen der Bauern und Bäuerinnen im Tal. Wie sehr sie ihre Kolleg/innen in der Ebene auch beneidet, von hier oben möchte sie nie weg. Ein Gespräch über die harte Arbeit im Steilhang und die Passion fürs Traktorfahren.

Frau Laimer, Sie sind eine von fünf Schwestern, wie kommt es, dass ausgerechnet Sie den Hof übernommen haben?

Ich bin die dritte von fünf Schwestern. Meine beiden älteren Schwestern sind Krankenschwestern und hatten nie Interesse an der Landwirtschaft, genauso wenig wie meine beiden jüngeren. Ich aber konnte mir nichts Schöneres vorstellen. Bereits als Kind bin ich meinem Vater bei der Feldarbeit zur Hand gegangen. Trotz ungünstiger Lage, trotz erschwerter Bedingungen und trotz der Zurückhaltung meines Mannes, habe ich vor sieben Jahren den Hof übernommen.

Das heißt, Ihr Mann war nicht gerade glücklich mit Ihrer Entscheidung?

Nicht wirklich. Joachim arbeitet Vollzeit beim Weißen Kreuz in Lana und kann mir nur in wirklich stressigen Zeiten helfen. Er hat auch nicht diese Passion für die Landwirtschaft, wie ich sie habe. Er erledigt zum Glück den Papierkram und nimmt die Anfragen für unsere Ferienwohnungen entgegen. Für die Büroarbeit hätte ich keinen Nerv, es klingt vielleicht blöd, aber dafür ist mir die Zeit zu schade. Lieber gehe ich bei sengender Hitze aufs Feld.

Sie und Ihr Mann haben also die Rollen getauscht?

Ich hatte ja schon immer den Wunsch Landwirtin zu werden. Ihm war das früher wohl nicht so wirklich bewusst. Als es mit der Übernahme ernst wurde, legte er mir wiederholt ans Herz den Hof nicht zu übernehmen. Aber ich wollte von hier nie weg, ich bin auf diesem Hof geboren und bin hier einfach glücklich.

Was macht den Hof für Sie so besonders?

Mein Vater, der im Ultental groß geworden ist, hat mit seinen Eltern 1957 den Hof gekauft. Damals war das Gehöft aus dem 18. Jahrhundert ziemlich heruntergekommen, es gab gerade mal ein paar Birnenbäume. Mit viel Mühe hat er den Hof dann auf Vordermann gebracht.

Und Sie haben weitergemacht?

Ja genau. Ich habe neue Obstanlagen geplant und nicht mehr nur auf Golden und Stark Delicious gesetzt sondern auf viele verschiedene Sorten. Heute haben wir Fuji, Gala, Golden, Red Delicious, Kanzi und Braeburn. Außerdem die alte Sorte Winesap für unseren Apfelsaft. Zusätzlich bauen wir auf 8000 Quadratmetern Trauben der Sorten Chardonnay, Sauvignon, Gewürztraminer und Vernatsch an und haben auch noch einige Kastanienbäume.

Bearbeiten Sie alles selbst?

Mehr oder weniger ja. Meine Eltern sind bereits über 70 und haben zum Glück noch die Kraft mich bei der Arbeit zu unterstützen. Außerdem habe ich einen Erntehelfer, der mir auf Abruf zur Hand geht. Im Grunde aber versuche ich so viel wie möglich selbst zu machen: Vom Spritzen über die Ernte bis hin zur Planung neuer Anlagen.

Stoßen Sie dabei nie an Ihre Grenzen?

Oh doch! Vor allem körperlich. Ich mache ja im Grunde all die Arbeiten, die sonst ein Mann erledigt. Selbst die Betonsäulen für die Anpflanzung neuer Anlagen schleppe ich selbst. So was schlaucht ganz schön. Müsste ich aber Mitarbeiter einstellen, würde sich ein Hof in dieser Größenordnung nie und nimmer rechnen. Wir haben ja nur 2,5 Hektar Grund und das mit über 35 Prozent Steigung.

Im Vergleich zu den Tallagen haben Sie also einen deutlich größeren Aufwand, oder?

Ganz genau, wir können unsere Anlagen so gut wie gar nicht maschinell bearbeiten. Um ein Beispiel zu nennen: Obstwiesen können wir nicht mulchen, sondern müssen sie mit dem Schultermäher mähen und die Äpfel können wir nicht mit Hilfe einer Hebebühne ernten, sondern ausschließlich mit Klaubkorb und Leiter. Leider spiegeln sich unsere erschwerten Bedingungen nicht im Auszahlungspreis wider. Früher waren die Preise für Obst aus Steillagen deutlich höher, heute macht der Unterschied gerade mal drei bis vier Cent pro Kilo aus. Dazu kommt das Risiko. Ein Moment der Unachtsamkeit auf dem Traktor kann in diesen steilen Lagen schnell zur Katastrophe werden.

Dabei sind Sie eine hervorragende Traktorfahrerin.

Ja, das stimmt schon. Das ist meine Leidenschaft. Als Mitglied der Bauernjugend wurde ich mehrfach Bezirks- und Landesmeisterin bei Traktormeisterschaften. 2012 schließlich habe ich in Kundl in Nordtirol den Europameistertitel im Traktorgeschicklichkeitsfahren gewonnen.

Worauf kommt es bei diesen Meisterschaften an?

Auf Schnelligkeit, Geschicklichkeit und Genauigkeit. Es geht um zentimetergenaues Einparken, genaues Fahren in engen Kurven und viel Feingefühl, etwa beim Halten des Gleichgewichts des Traktors auf einer Wippe.

Hat eines Ihrer drei Kinder denn Interesse den Hof mal weiterzuführen?

Mein Sohn Philipp ist 26 und arbeitet bereits in der Landwirtschaft. Allerdings unten im Tal und ich weiß nicht, ob er Lust hat einen so steilen Hof zu bewirtschaften. Und die beiden Töchter Patrizia und Natalie sind 18 und 15 und besuchen beide das Gymnasium. Mal sehen was die Zukunft bringt.

Wie schaffen Sie das alles?

Der Glaube spielt sicherlich eine große Rolle. Ich habe das Gefühl, dass mich Gott trägt. Ich bete viel und das gibt mir die Kraft weiterzumachen. Früher hat es mich gestört, dass mein Mann nicht sieht, wie viel Arbeit auf dem Feld und rund ums Haus ansteht. Heute kann ich sagen, dass ich daraus gestärkt hervorgegangen bin. Ich bin heute selbstbewusster.

Ist Ihnen dieses neue Selbstbewusstsein auch bei Ihrem Einstieg in die Politik zu Gute gekommen?

Ja, sicher. Wobei ich schon immer sehr geradlinig war. Wenn mir etwas nicht passt, sage ich es. Ich bin im Gemeinderat von Lana und dort auch in der Baukommission, außerdem im Ortsbauernrat, bei den Bäuerinnen und im Vorstand der Imker. Die Verbandsarbeit ist zwar sehr aufwendig, aber ich mag sie.

Gibt es für Sie überhaupt das Wort Freizeit?

Im Winter bin ich Abends meistens in Sitzungen. Sofern es aber irgendwie möglich ist, gönne ich mir zwei Mal die Woche Wassergymnastik. Um Abzuschalten bin ich gerne unter Leuten, vor allem Sonntags mag ich es unterwegs zu sein. Bei meinem Mann ist es leider genau umgekehrt. Er hat die ganze Woche Leute um sich und bleibt am Wochenende am liebsten zu Hause.

Zu Person

Ulrike Laimer ist Landwirtin auf dem Goldbichlhof in Lana. Vor sieben Jahren hat sie als dritte von fünf Schwestern von ihrem Vater Martin den Hof übernommen. Die 46-Jährige ist seit 26 Jahren mit Joachim Schwienbacher verheiratet, gemeinsam haben sie drei Kinder. Zum Hof gehören 2,5 Hektar Obst- und Weinbau sowie Urlaub auf dem Bauernhof. Ulrike Laimer ist Gemeinderätin von Lana und dort in verschiedenen Vereinen tätig.

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